Einleitung: Die Herausforderung der einsamen Entscheidungen
Stehst du manchmal vor wichtigen unternehmerischen Entscheidungen und fühlst dich allein mit dieser Verantwortung? Fragst du dich, wie es wäre, wenn du jemanden an deiner Seite hättest, mit dem du diese Last teilen könntest? Oder bist du bereits Teil eines Führungsteams und kennst die Herausforderungen, wenn nicht nur einer das Sagen hat?
In meiner Doppelrolle als Unternehmer und Nachfolgebegleiter habe ich in den letzten 15 Jahren verschiedene Führungskonstellationen erlebt – sowohl als Angestellter als auch als Geschäftsführer. Ich habe gesehen, wie Führungsgespanne brillant funktionieren können, aber auch, wie sie scheitern, wenn bestimmte Grundvoraussetzungen nicht erfüllt sind.
Verschiedene Konstellationen von Führungsgespannen
Bevor wir in die Details einsteigen, betrachten wir die verschiedenen Konstellationen von Führungsgespannen, die uns in der Praxis begegnen:
- Senior-Unternehmer und seine Kinder in Nachfolgephasen: Eine klassische Konstellation, bei der die Erfahrung des Seniors auf die frischen Ideen der nächsten Generation trifft. Viele dieser Übergaben werden als Führungsgespann zwischen den Generationen beginnen.
- Geschwister: Hier teilen sich Brüder und/oder Schwestern die Verantwortung für das Familienunternehmen. Diese Konstellation ist besonders interessant, weil hier familiäre und geschäftliche Beziehungen ineinander übergehen.
- Paare: Ehepartner oder Lebenspartner, die gemeinsam ein Unternehmen führen. Hier verschwimmen die Grenzen zwischen Privatleben und Beruf oft vollständig, was Chance und Risiko zugleich sein kann – vor allem wenn es in einem der beiden Bereiche mal nicht rund läuft.
- Kollegen: Berufliche Partner ohne familiäre Bindung, die sich die Führungsverantwortung teilen. Diese Konstellation basiert in der Regel auf rein professionellen Überlegungen.
Statistiken und aktuelle Entwicklungen
Laut dem aktuellen KfW-Nachfolgemonitor 2025 planen bis Ende des Jahres rund 215.000 Unternehmen eine Nachfolgeregelung. Gleichzeitig ziehen etwa 231.000 Unternehmen eine Geschäftsaufgabe in Betracht. Diese Zahlen zeigen die Dringlichkeit des Themas Unternehmensnachfolge.
Was die Führungsgespanne betrifft, zeigen aktuelle Erhebungen des Instituts für Mittelstandsforschung, dass etwa 30% der Familienunternehmen in Deutschland von mindestens zwei Personen gemeinsam geführt werden. Bei Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern steigt dieser Anteil sogar auf über 45%. Die Tendenz ist dabei steigend – vor allem bei Nachfolgeregelungen wird zunehmend auf geteilte Führungsverantwortung gesetzt.
Eine Studie der Technischen Universität München hat zudem gezeigt, dass Unternehmen mit Führungsteams im Durchschnitt eine um 12% höhere Innovationsrate aufweisen als solche mit Einzelführung. Besonders erfolgreich sind dabei komplementäre Teams, bei denen sich die Kompetenzen der Führungskräfte ergänzen – etwa ein technisch versierter und ein kaufmännisch orientierter Geschäftsführer.
Prominente Beispiele erfolgreicher Führungsgespanne
Ein Paradebeispiel für ein erfolgreiches Führungsgespann war die Zusammenarbeit von Hasso Plattner und Dietmar Hopp bei SAP. Die beiden Gründer ergänzten sich perfekt: Während Hopp eher der Stratege und Visionär war, kümmerte sich Plattner um die technologische Entwicklung. Diese Kombination machte SAP zu einem der erfolgreichsten Softwareunternehmen der Welt.
Ein weiteres Beispiel ist die Drogeriemarktkette dm, wo Götz Werner als Gründer lange Zeit mit Erich Harsch als zweitem Geschäftsführer zusammenarbeitete. Diese Konstellation ermöglichte es dm, sowohl die ursprünglichen Unternehmenswerte zu bewahren als auch sich kontinuierlich weiterzuentwickeln.
Auch bei mittelständischen Unternehmen gibt es zahlreiche Erfolgsgeschichten: Die Geschwister Claus und Anja Felder führen gemeinsam die Felder Group, einen führenden Hersteller von Holzbearbeitungsmaschinen. Ihre unterschiedlichen Stärken – er im technischen Bereich, sie im kaufmännischen – haben das Unternehmen international erfolgreich gemacht.
Persönliche Erfahrungen mit Führungsgespannen
Ich hatte das Glück, verschiedene Führungsgespanne aus nächster Nähe erleben zu dürfen:
Bei meinem ersten Arbeitgeber gab es einen kaufmännischen und einen technischen Geschäftsführer mit klarer Rollenbeschreibung. Diese Aufteilung nach Kompetenzen hat sehr gut funktioniert, weil jeder seinen Bereich kannte und respektierte. Ich war beeindruckt, wie gut die beiden zusammenarbeiteten, obwohl sie charakterlich völlig unterschiedlich waren – der eine eher laut und dominant, der andere ruhiger und trotzdem sehr klar in seinen Entscheidungen.
Danach arbeitete ich bei einem produzierenden Mittelständler mit einem Kaufmann und einem Vertriebs-Geschäftsführer. Hier war besonders interessant, dass der Vertriebs-Geschäftsführer sehr viel unterwegs war, während der Kaufmann nahezu 100% Präsenz im Unternehmen hatte. Diese unterschiedlichen Arbeitsweisen ergänzten sich gut, erforderten aber auch viel Abstimmung.
Bei meinem heutigen Unternehmen, der Sanierungstechnik Dommel, gibt es zwei Geschäftsführer, seit mein Vater das Unternehmen nicht mehr alleine stemmen konnte. Nach einem anfänglichen „Ruckeln“ sind mein Kollege Stefan und ich zu einem guten Team zusammengewachsen. Diese Erfahrung war besonders lehrreich für mich. Als wir anfingen zusammenzuarbeiten, gab es durchaus Momente, in denen wir aneinander vorbei redeten oder unterschiedliche Vorstellungen hatten. Aber wir haben früh erkannt, dass wir nur gemeinsam erfolgreich sein können.
Vorteile von Führungsgespannen
Aus meinen Erfahrungen und aktuellen wirtschaftspsychologischen Erkenntnissen kann ich einige klare Vorteile von Führungsgespannen ableiten:
- Gute Vertretungsmöglichkeiten: Wenn einer ausfällt oder im Urlaub ist, kann der andere übernehmen. Das gibt nicht nur dem Unternehmen Stabilität, sondern ermöglicht auch den Führungskräften, wirklich abzuschalten und sich zu erholen.
- Nutzung verschiedener Talente: Man kann die jeweiligen Stärken der Personen gut in die Rollenbeschreibungen einfließen lassen und optimal nutzen. Nicht jeder muss alles können – im Gegenteil: Die Unterschiedlichkeit ist eine Stärke!
- Geteilte Entscheidungsverantwortung: Man muss weitreichende Entscheidungen nicht alleine treffen. Gerade in Krisenzeiten oder bei strategischen Weichenstellungen kann es enorm entlastend sein, einen Sparringspartner zu haben.
- Vielfältige Perspektiven: Man hat auf Mitarbeiter, Kunden oder Herausforderungen verschiedene Blickwinkel. Diese Diversität führt oft zu besseren, durchdachteren Lösungen.
Nachteile und Herausforderungen
Natürlich ist nicht alles Gold, was glänzt. Führungsgespanne bringen auch Herausforderungen mit sich:
- Chemie und Vertrauen: Die Chemie zwischen den Personen muss stimmen und Vertrauen vorhanden sein. Das ist die absolute Grundvoraussetzung – ohne geht es nicht.
- Abstimmungsaufwand: Der Abstimmungsaufwand ist nicht zu unterschätzen. Regelmäßige Meetings, Absprachen und Diskussionen kosten Zeit und Energie.
- Langsamere Entscheidungsfindung: Vielleicht ist man manchmal durch die Abstimmung oder gegenseitiges Überzeugen etwas langsamer. In manchen Situationen kann das ein Nachteil sein, wenn schnelle Entscheidungen gefragt sind.
- Ego zurücknehmen: Man darf auch lernen, sein Ego etwas zurückzunehmen und auf den anderen zu hören – wie in einer Beziehung. Das fällt gerade Unternehmerpersönlichkeiten, die es gewohnt sind, allein zu entscheiden, oft schwer.
Erfolgsfaktoren für Führungsgespanne
Basierend auf meinen Erfahrungen und den Erkenntnissen aus der Wirtschaftspsychologie möchte ich die wichtigsten Erfolgsfaktoren für Führungsgespanne vorstellen:
- Respekt und Vertrauen: Das ist das absolute Fundament. Ohne gegenseitigen Respekt und Vertrauen wird die Zusammenarbeit nicht funktionieren. Vertrauen bedeutet auch, dem anderen Raum für eigene Entscheidungen zu geben und nicht ständig zu kontrollieren.
- Kommunikation und regelmäßiger Austausch: Idealerweise entwickelt ihr feste Meeting-Rhythmen. Bei uns hat sich ein wöchentliches Jour fixe bewährt, bei dem wir alle wichtigen Themen besprechen. Zusätzlich nehmen wir uns zweimal im Jahr Zeit für strategische Klausuren.
- Klare Aufgabenteilung: Definiert, wer wofür verantwortlich ist. Das verhindert Doppelarbeit und Konflikte. Laut dem DIHK-Report Unternehmensnachfolge 2025 ist eine unklare Rollenverteilung einer der Hauptgründe für das Scheitern von Führungsgespannen.
- Geschlossenes Auftreten: Tretet gegenüber Mitarbeitern und nach außen geschlossen auf. Fallt euch vor allem nicht in den Rücken. Wenn ihr unterschiedlicher Meinung seid, klärt das unter vier Augen, nicht vor dem Team.
- Emotionale Intelligenz: Bei Geschwistern und Paaren solltet ihr die Emotionen durch die familiäre Beziehung zueinander im Blick behalten. Im Betrieb und im privaten Umfeld müsst ihr womöglich anders agieren und kommunizieren.
Fazit: Die Zukunft gehört den Teams
Zusammenfassend lässt sich sagen: Führen als Gespann kann ein sehr erfolgreiches Modell sein – wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Es bietet zahlreiche Vorteile wie geteilte Verantwortung, vielfältige Perspektiven und bessere Work-Life-Balance. Gleichzeitig stellt es besondere Anforderungen an die Beteiligten, vor allem in Bezug auf Kommunikation, Vertrauen und klare Rollenverteilung.
Die Zahlen sprechen für sich: Unternehmen mit Führungsteams weisen im Durchschnitt eine um 24% höhere Mitarbeiterzufriedenheit auf als solche mit Einzelführung, wie eine Studie der Universität St. Gallen zeigt. Zudem liegt die durchschnittliche Verweildauer von Führungskräften in Doppelspitzen bei 7,2 Jahren – deutlich länger als die 4,8 Jahre bei alleiniger Führungsverantwortung.
Für die Zukunft sehe ich das Führungsgespann als ein Modell mit wachsender Bedeutung. Die Komplexität der Unternehmensführung nimmt zu, die Anforderungen werden vielfältiger. Gleichzeitig suchen immer mehr Menschen nach einer ausgewogenen Work-Life-Balance. Ein Führungsgespann kann hier eine attraktive Lösung sein.
Wenn du dir eine Unternehmensnachfolge nicht alleine zutraust, lässt sich die Lösung als Unternehmer-Gespann auch gut im Nachfolgeschmiede-Sprint auf Chancen und Risiken überprüfen. Hier kannst du in einem strukturierten Prozess herausfinden, ob dieses Modell für euch und euer Unternehmen passt.